Warum wir toxische Beziehungen halten – und wie ein neuer Weg beginnen kann.
- Stephan Schwinnen

- 9. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Sept.
Einleitung: Wenn Beziehung schmerzt
Es gibt Partnerschaften, in denen wir uns sicher, gesehen und angenommen fühlen. Und es gibt Beziehungen, die uns überfordern, erschöpfen – und mit der Zeit an unserem Selbstwert nagen.
Trotzdem bleiben viele Menschen über Monate oder sogar Jahre in Verbindungen, die ihnen nicht guttun.In diesem Artikel erfahren Sie, warum es so schwerfallen kann, eine toxische Beziehung zu verlassen, welche psychologischen Muster eine Rolle spielen – und was Ihnen helfen kann, einen neuen, selbstfürsorglichen Weg einzuschlagen.
Was ist eine toxische Beziehung?
Der Begriff „toxisch“ meint hier keine pauschale Schuldzuweisung, sondern eine wiederkehrende Beziehungsdynamik, in der einer oder beide Partner auf Dauer seelischen Schaden erleiden. Das geschieht häufig nicht bewusst oder absichtlich, sondern ergibt sich aus destruktiven Mustern.
Typisch für eine toxische Beziehung sind zum Beispiel folgende Anzeichen:
Sie fühlen sich häufig verunsichert, beschämt oder abgewertet.
Ihr Verhalten richtet sich zunehmend danach aus, Streit oder Konflikte zu vermeiden.
Sie haben das Gefühl, sich verändern oder anpassen zu müssen, um geliebt zu werden.
Die Beziehung macht Sie emotional abhängig von wenigen guten Momenten.
Solche Dynamiken entwickeln sich meist nicht plötzlich, sondern über längere Zeit – oft gespeist durch unbewusste Ängste, früh gelernte Bindungsmuster und emotionale Verletzungen.

Warum bleiben Menschen – obwohl sie spüren, dass es ihnen schadet?
1. Angst vor dem Alleinsein
Für viele Menschen ist der Gedanke, allein zu sein, mit großer Unsicherheit verbunden. Diese Angst ist oft das Ergebnis früher Erfahrungen, in denen emotionale Nähe nicht zuverlässig oder sicher war.
In solchen Fällen erscheint es emotional weniger bedrohlich, eine belastende Beziehung aufrechtzuerhalten, als die Trennung und den vermeintlich drohenden Verlust zu erleben.
2. Hoffnung auf Veränderung
Ein Teil in uns hofft bis zuletzt, dass sich die Beziehung zum Guten wenden wird. Besonders wenn zwischendurch liebevolle oder versöhnliche Momente auftauchen, können diese als Beweis dienen: „Es ist nicht alles schlecht. Vielleicht wird es bald besser.“
Diese Hoffnung ist menschlich. Doch sie kann dazu führen, dass Warnsignale verdrängt und die eigene Selbstachtung untergraben werden.
3. Wiederholung früher Beziehungsmuster
Nicht selten spiegeln sich in toxischen Beziehungen unverarbeitete Beziehungserfahrungen aus der Kindheit wider. Wer zum Beispiel früh gelernt hat, Liebe nur durch Anpassung, Zurücknahme oder emotionale Vorsicht zu bekommen, wiederholt diese Dynamik unbewusst in späteren Partnerschaften.
Es ist ein unbewusster Versuch, ein altes Muster diesmal „richtig zu machen“ – in der Hoffnung, dass die ersehnte Sicherheit und Anerkennung doch noch kommen.
Warum fällt das Gehen so schwer?
Eine toxische Beziehung zu verlassen ist selten eine rein rationale Entscheidung. Denn es geht oft nicht nur um den Partner oder die Partnerin – sondern auch um das, was innerlich damit verbunden ist:
Die Hoffnung, diesmal wirklich gesehen zu werden
Die Angst, wieder alleine, hilflos oder leer zu sein
Ein inneres Beziehungskonzept, das über viele Jahre zur eigenen Identität geworden ist
Deshalb greifen Appelle wie „Dann trennen Sie sich doch“ häufig ins Leere. Die Entscheidung zu gehen berührt oft einen tiefen inneren Konflikt zwischen Bindungswunsch und Selbstschutz.
Was kann helfen, einen neuen Weg zu gehen?
1. Die eigene Reaktion verstehen – statt sie zu verurteilen
Wenn Sie geblieben sind, obwohl Sie gelitten haben, war das kein Zeichen von Schwäche. Es war ein verständlicher Versuch, Verbindung, Sicherheit oder Stabilität zu bewahren – mit den Mitteln, die Ihnen zu dem Zeitpunkt zur Verfügung standen.
Veränderung beginnt nicht mit Selbstverurteilung, sondern mit Mitgefühl für die eigenen Beweggründe.
2. Früh gelernte Bindungsmuster erkennen
Fragen Sie sich:
In welchen Momenten fühle ich mich in der Beziehung am kleinsten?
Kommt mir dieses Gefühl aus früheren Lebensphasen bekannt vor?
Welche Rollen übernehme ich immer wieder – und wie vertraut sind sie mir?
Das Bewusstwerden dieser Muster ist oft der erste Schritt, um sich aus ihnen zu lösen.
3. Den Selbstwert unabhängig von der Beziehung stärken
Viele Menschen regulieren ihr Selbstwertgefühl über die Beziehung: Wenn diese stabil ist, fühlen sie sich wertvoll. Wenn sie ins Wanken gerät, bricht auch das innere Selbstbild.
Ein gesunder Selbstwert entsteht jedoch nicht durch Bestätigung von außen, sondern durch innere Klarheit, Selbstfürsorge und die Erfahrung, sich selbst begleiten zu können – auch in schwierigen Phasen.
Das kann ganz praktisch bedeuten:
Sich regelmäßige Zeiten für sich selbst zu schaffen
Eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und ernst zu nehmen
Entscheidungen nicht nur an der Beziehung, sondern auch am eigenen inneren Respekt auszurichten
4. In kleinen Schritten handeln
Veränderung muss nicht abrupt geschehen. Oft beginnt sie leise – mit dem Entschluss, sich selbst wieder zuzuhören. Oder mit einem Satz, den Sie aussprechen, obwohl Sie sich dabei unsicher fühlen.
Auch kleine Schritte – wie ein ehrliches Gespräch, ein geschriebenes Gefühl oder ein neu gesetzter innerer Rahmen – können weitreichende Wirkung entfalten, wenn sie aus einer aufrichtigen Haltung entstehen.
Sie sind nicht allein
Wenn Sie sich in einer Beziehung wiederfinden, die Ihnen nicht guttut, bedeutet das nicht, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt. Es bedeutet, dass Ihre Geschichte, Ihre Sehnsucht und Ihre Hoffnung sich in einer Konstellation zeigen, die nicht tragfähig ist.
Veränderung beginnt oft nicht mit einem großen Bruch, sondern mit einem leisen Innehalten – und der Entscheidung, sich selbst nicht länger zu übergehen.
Wenn Sie Unterstützung auf diesem Weg suchen, begleite ich Sie gern. Mit Erfahrung, mit Respekt und mit echtem Interesse an Ihrem Weg zurück in die Verbindung mit sich selbst.


